Happy Family.... oder so (Dom, Tak, Phoe, Suko, Rom, Jong..)

Li hatte noch immer nicht verstanden, warum man sich bei einigen Dingen bedanken musste und warum manchmal nicht. Doch als Suki ihn anstupste, sah er zu Jay und krächzte ein: "Danke, Jay." Der zauste Suki mit einer hauchzarten Bewegung die Haare und patte Lis Kopf, was diesen Grinsen ließ. Er hatte also was gut gemacht.
Nachdem er nichts mehr zu tun hatte, fing Dominic an auf und ab zu laufen, die Hände auf dem Rücken verschränkt.
"Klar bin ich das!" Diego lachte und nutzte es aus, dass Phoe ihm so nahe war und grabschte gekonnt dessen Hintern an um zuzudrücken. Jay sah es nicht und lachte, weil der Blauäugige sich so freute. Dann kam er mit zwei Tellern zu ihnen ins Wohnzimmer. "Futter, endlich!" kam es hungrig von Diego, der sofort los spachelte.

Vom Essen konnte andernorts nur geträumt werden. Obwohl selbst die Träume inzwischen aufgehört hatten. Brian lag an der Wand unter einer recht dicken Decke, weshalb man ihn kaum ausmachte, da er auf dem Bauch lag. Es herrschte difuses Licht hier unten und eine mal funktionierende und mal stille Klimaanlagte brachte etwas Luft hier rein, denn Fenster gab es nicht, natürlich war es ein Kellerraum. Es gab keine Möbel hier, doch die Stelle in der Mitte des Raumes zeigte deutlich, dass hier ab und zu ein Stuhl rein kam. Die dunklen alten Blutflecke und andere Flecken waren Zeugen davon. Es gab keine Ketten oder andere Fesseln, die Brian daran gehindert hätten sich im realtiv großen Raum bewegen zu können. Er hätte sogar ein paar Schritte rennen können, sich fit halten, damit er nicht zu schwach wurde um aufzustehen. Dennoch war er zu schwach dazu. Seine einst gebrochenen Knochen waren wieder geheilt, wenn auch nicht gerade zusammengewachsen, was ihm Schmerzen verursachte, wann immer das Wetter sich änderte.
Brian war zwei Jahre hier unten gewesen und hatte immer so viel Nahrung bekommen, dass es zum Leben zu wenig war, aber genug zum Überleben. Als er am Anfang noch hübsch und interessant war, hatte er sogar Obst und Gemüse bekommen. Danach waren es nur noch Pillen gewesen, damit ihm wegen Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen keine Zähne oder Haare ausfielen. Scheinbar war er vergessen worden, denn sein Essen kam die letzten vier Monate nur noch unregelmäßig und die letzten zwei Wochen hatte er gar nichts mehr bekommen. Brian hatte einen Wasserkanister, ähnlich dem für Benzin hier unten. Es war schwierig daraus zu trinken, wenn man kaum Kraft übrig hatte ihn zu halten. Also trank er ihm halben Liegen, kippte den Kanister - der noch für zwei Tage reichen würde - und trank so daraus.
Gut genährte Menschen konnten länger aushalten ohne Nahrung, doch wenn man sogar unter den Modelmaßen lag, waren zwei Wochen fast das Todesurteil.
Brian zuckte leicht zusammen als die Tür auf ging und war froh darüber, dass seine Decke unordentlich war und auch sein Gesicht bedeckte. Bald war es vorbei. Er hörte eine dreckige Lache, verstand aber nicht was der Mann sagte. Nur das Wort Junge und bereuen erkannte er, der Mann sprach koreanisch wie er glaubte. Das ehemalige Model hielt die Luft an, hoffte und wurde erhört, niemand kam zu ihm. Die Bezeichnung Haut und Knochen traf auf ihn zu, selbst sein Gesicht war so dünn, dass man seinen Schädel scheinbar hindurchschimmern sehen konnte. Vielleicht würde ihn die Decke ja ersticken. Irgendwie hoffte er es. Doch als er ein Geräusch hörte, rührte er sich doch noch, schaffte es sich auf die Seite zu legen, damit er in Richtung Tür sehen konnte. Er blieb aber unter der Decke.
Seine einst weiße anschmiegsame und dadurch sexy wirkende Hose und Shirt schlotterten nur um ihn herum. Seine hellen Augen waren stumpf, ebenso seine ehemals seidig weichen Haare, die dazu noch strohig waren. Seit vier Monaten hatte er nicht mehr duschen dürfen, nicht einmal waschen hatte er sich können, er stankt also. Dabei war ihm Hygiene doch einmal so wichtig gewesen. "Wer..." ist da, wollte er fragen. Doch er brachte nur das erste Wort hervor, wahrscheinlich auch viel zu leise, ehe er trocken husten musste. Verletzt war er nicht mehr, außen wie innen war es in der Zeit verheilt, in der er vergessen worden war.

Phoenix ließ sich wieder vergnügt aufs Sofa fallen, seine neue Lieblingswaffe direkt nebem dem Laptop. Dann aß auch er und überprüfte immer wieder die Daten, sortierte falsche Treffer aus und stellte andere Anfragen. Was er am meisten hasste, war warten. "Scheiße, ich glaub jede verfluchte Lampe dort hat 2 Kameras und jeder 3. fährt diesen Wagen..." Das würde ewig dauern..

Lyn war die ganze Fahrt über bewusstlos gewesen. Erst im Gebäude hatte man ihm einen Eimer Eiswasser übergeschüttet, damit er wach wurde - und ihn dann prompt in den Keller hineingeschubst. An das diffuse Licht mussten sich seine Augen erst noch gewöhnen, doch sein hektischer Atem verriet ihn und seine Angst. Der dröhnende Schädel war nichts dagegen. Immerhin hatte er die ganze Zeit im Dunkeln gelegen, weshalb sein Augen nicht so lange brauchten um sich scharf zu stellen. Selbst hier roch es fürchterlich und nach ein paar Mal einatmen wurde ihm sogar etwas schlecht davon. Erst als ein eigenartiges Krächzen erklang, zuckte er auch noch zusammen. Er war wohl nicht alleine hier. "Wer... wer ist da..?" Seine Stimme verriet auch sein ungefähres Alter, denn der Stimmbruch war reichlich unbeschadet an ihm vorüber gegangen - nur wenn er wirklich sang, erreichte seine Stimme auch Tiefen. Ängstlich umklammerte er sich selbst und seine wilde Fantasie zeigte ihm dauernd irgendwelche Monstren. Schon immer hatte er Kellerräume gefürchtet und hier war es gerade besonders schlimm. "Was ist das hier?" Er hauchte es nur und betastete sich selbst. Aber sein Handy war natürlich nicht mehr da.

Irgendwie war er doch erleichtert darüber, dass keiner der vielen gesichtslosen Männer in diesem Raum war. Brian hörte, dass der Fremde noch jung war und dessen Atem verriet ihm ebenfalls, dass der andere Angst hatte. Ein neuer Junge, vielleicht sollte er ersetzt werden? Ihm tat der Neue Leid.
Ja, es war ein Junge, das erkannte er nicht nur daran, dass dieser erneut sprach, sondern auch weil Brian die Decke doch noch etwas von sich zog. Selbst das war anstrengend, wie auch das Umdrehen eben. "Der Ort an dem du sterben wirst." krächzte er kraftlos und sagte damit aus seiner Sicht die Wahrheit. Brian hustete wieder kurz und sah dann zu dem Jungen, wobei er seinen knochigen Arm angewinkelt unter seinen Kopf gelegt hatte. Seinen Kopf abzustützen schaffte er nicht mehr, erst recht nicht sich mit dem Ellbogen etwas aufzurichten. Brian sah aus als könne man ihn fort pusten.

Die Angst schnürte Lyn schier die Kehle zu, als der andere etwas vom Sterben sagte. Er wollte hier nicht sterben! Auf keinen Fall! Prompt traten ihm die Tränen in die Augen, doch die würde kaum einer sehen. Trotzdem lag sein Blick wie gebannt auf dem dunkleren etwas, das er nun als Decke erkannte. Das Husten klang nicht gerade nach einer Erkältung, sondern irgendwie nach etwas anderem, schwerwiegenderem. Lyn kniff seine Augen etwas zusammen und stand immer noch dort, wo man ihn abgestellt hatte. Das was er da sah... war ja ein halbes Skelett! Irgendwas kam ihm bekannt vor, aber noch konnte er nicht sagen was. "Wie... wie lange bist du schon hier?" Eigentlich wollte er ja fragen, was sie mit ihm gemacht hatten. Aber so genau wollte er das gar nicht wissen.

Brians Blick huschte leicht flackernd über den Jungen, der wirklich sehr hübsch war. Er konnte es nicht so genau erkennen, weil der Jüngere nicht unter der Lampe stand, aber er glaubte, dass die Augen blau waren. Ein Schönheitsideal in Kombination mit den schwarzen Haaren. Brian lenkte sich ab, indem er an die Möglichkeiten dachte, die der Junge mit dem richtigen Agenten haben würde. Bis ihn die Frage eben jenes Jungen aus seiner Fantasie riss. Der andere würde nie diese Möglichkeit haben. "Ich weiß es nicht. Welches.. Datum. haben wir?" Seine Stimme klang schwach und doch wie Schmirgelpapier.

Lyn fiel es schwer, irgendwie die Beherrschung zu wahren. Am liebsten hätte er sich in die Ecke gekauert und geheult. Aber was nutzte das schon? Wahrscheinlich genauso wenig wie Krach machen. Er traute sich nicht, sich dem anderen zu nähern und behielt den Abstand sicherheitshalber bei. Rasch nannte er ihm das heutige Datum - es würde wohl immer der bisher beschissenste Tag in seinem Leben bleiben. Falls die nächsten nicht noch schlimmer werden würden. Lyn kauerte sich tatsächlich zusammen, an der gegenüberliegenden Wand und ging dort in die Hocke, wobei er sich selbst umarmt hielt. "Was..haben sie mit dir.. gemacht?" Jetzt fragte er es doch. Neugierde war eine grausame Eigenschaft.

Als er die Antwort bekam, das Datum hörte, konnte er ein halblautes trockenes Schluchzen nicht unterdrücken. Er musste nachrechnen, schloss dazu die Augen und meinte dann leise: "Ich bin zwei Jahre, vier Monate und 16 Tage hier." Brians Herz schlug mit einem Mal schneller und es strengte ihn an. Er atmete etwas flacher als vorher, nachdem die Frage erklungen war, was sie mit ihm gemacht hätten.
Bilder schossen ihm in Hunderstelsekunden deswegen durch den Kopf und erneut richteten sie Schaden in seiner Seele und seinem Geist an. Seine Stimme klang jedoch plötzlich eher nach einer automatischen Ansage, als er dem Jungen emotionslos antwortete: "Sie haben mich missbraucht, gefoltert, gefesselt, gedemütigt, stundenweise verschenkt und jetzt lassen sie mich verhungern und haben mich vergessen." Brians Blick war während seiner Aufzählung leer gewesen. Doch danach sah er wieder richtig zu dem Jungen, fast als hätte er gar nichts gesagt. "Du solltest dich selbst umbringen." riet er ihm leicht röchelnd und tonlos. Es war ein gut gemeinter Rat.

Lyn ächzte als er die Zeitangabe hörte. Noch mehr Angst befiel ihn. Was wenn er auch so lang hier drin bleiben musste? Oder gar noch länger? Wenn er nie wieder hier raus kam? Er war gerade mal wenige Minuten hier und schon jetzt hatte die Verzweiflung ihr Opfer gefunden und fraß an ihm. Eine innere Kälte breitete sich langsam aus und ließ ihn zittern. Mit der Erzählung wurde er immer blasser. Immerhin konnte er sich das meiste gar nicht richtig vorstellen. Doch er wusste was es hieß Hunger zu leiden. Rasch versuchte er all das Gesagte wieder zu vergessen, zu verdrängen. "Nein... Mein.. mein Dadd wartet auf mich.. und mein Freund.. meine Freunde.." Jetzt flossen sie doch schon, seine Tränen. Sein Daddy würde ihn doch nicht im Stich lassen? Er und Jong würden sich bestimmt Sorgen machen, wenn er sich nicht mehr meldete. Sie würden ihn doch suchen lassen..! Also musste er durchhalten! "Wie..heißt du?" Lieber lenkte er schnell das Thema um, auf etwas anderes.. was ihn ablenken konnte.

"Dein Dad? Und dein Freund? Deine Freunde?" Brian dachte nach, ihn hatte man nicht gesucht, nicht vermisst und vor allem nicht gefunden. Es tat ihm Leid, dass der andere jetzt weinte, aber das würde er noch sehr oft tun. Brian schluckte trocken und sah zu seinem Wasserkanister. Er war mal heller gewesen, jetzt schmutzig-trübe, doch wenn man nahe genug war, dann konnte man das wenige Wasser darin erkennen. Er würde es nur nicht schaffen da ran zu kommen, obwohl es so nahe stand.
"Ich heiße Brian. Aber... ich war mal Kei." Er war so stolz gewesen, dass er es von einem Freak zu einem Top Fotomodel geschafft hatte. Sein Blick glitt wieder zu dem Jungen und sein Pircing stand ab, so als hätte er eine zu große Größe ausgesucht. "Ich hatte auch mal einen Freund..." bemerkte er aus heiterem Himmel und lächelte etwas verzerrt. Er hatte vergessen wie er aussah. Schwarze Haare, ja, aber er wusste nicht mehr wie er sie in seiner Freizeit trug.

Lyn nickte nur auf die Nachfragen. Sein Daddy und Jong.. Und dann waren da noch Shun und die anderen. Auch mit Suko, Jay und Phoenix verstand er sich gut. Sie würden nach ihm suchen, da war er sich ganz sicher! Er beobachtete das halbe Skelett, wagte es aber nicht näher zu kommen und ihm zu helfen. Er hatte noch zuviel Furcht vor ihm. Vielleicht auch, weil er mit all den sichtbaren Knochen so abscheulich auf ihn wirkte. Lyn hasste Horrorfilme - und jetzt war er mitten in einem drin. Nur nicht nach Spinnen Ausschau halten - nur nicht nach Spinnen Ausschau halten... Lyn musste seine Augen schließen und versuchte tief durchzuatmen, aber mit den Tränen fiel es ihm schwer.
"....Kei? Ich.. ich kenne dich.. Also.. vom sehen." Oder kannte. Zwar bemerkte er jetzt durchaus ein paar Ähnlichkeiten, aber so richtig sicher konnte er sich nicht sein. "Glaubst du, er hat nach dir gesucht?" Langsam kroch Lyn näher, blieb aber immer noch außer Reichweite. Er zitterte vor Angst und auch etwas vor dieser klammen Kälte. Seine Klamotten waren noch nass von dem übergeschütteten Wasser.

Brian hatte das Reden angestrengt, doch lag er weiter auf der Seite, mit dem Kopf auf dem angewinkelten Arm und sah zu dem Jungen rüber. Er sah dabei zu wie dieser die Augen schloss und versuchte sich zu beruhigen.
"Du kennst mich?" Brians Augen glänzten und er zog die Decke etwas mehr über sein Gesicht. "Bitte sieh mich nicht an." Er hatte zwar keinen Spiegel hier, aber hatte natürlich gefühlt, sein Gesicht abgetastet und konnte sich vorstellen wie er aussah. Im Vergleich zu früher, auf den verschiedenen Modecovern oder auch mit der ein oder anderen Band - allein in der Klatschpresse, weil er mal mit dem Sänger einer Rockband zusammen gewesen war - sah er jetzt grauenhaft aus. Es schmerzte Brian nicht mehr hübsch zu sein, sondern aus einem Horrorfilm zu stammen. Seine mageren langen Finger hielten den Saum der dreckigen Decke fest und somit verdeckte er die untere Hälfte seines Gesichts.
Dann schüttelte er einmal leicht seinen Kopf. Dumpf und brüchig erklang seine Stimme, als er antwortete: "Nein. Wir hatten Streit und ich bin mal wieder abgehauen. Ich weiß nicht mehr was ich gesagt habe, aber... vielleicht hab ich sogar im Zorn Schluss gemacht. Ich weiß es nicht." Er klang jetzt als würde er heulen, aber sein Körper hatte nichts mehr übrig, damit sich Tränen bilden konnten.

Lyn senkte den Kopf und verharrte wieder auf der Stelle, immer noch in der Hocke. So sehr es ihn grauste den anderen anzusehen, so sehr grauste es den wohl, angesehen zu werden. "Ich verstehe das nicht.. Du bist doch berühmt.. oder warst berühmt.. Da werden sie doch alle nach dir gesucht haben müssen..." Verzweiflung machte sich in ihm breit. Wenn die Öffentlichkeit Kei schon nicht gefunden hatte... wer sollte denn dann ihn finden? "Ich.. ich will hier nicht sterben.." Er musste trocken schlucken, hatte sich immer noch nicht an den Gestank gewöhnt und sah sich um. Hier gab es nichts, wo man sich verstecken oder wo man ausbrechen konnte. Nur die Lampe und die Tür. Und der Lüftungsschacht war so klein, da hätte gerademal ein Arm von ihm durchgepasst. Er konnte ihn nicht trösten, fühlte sich dazu einfach nicht in der Lage. Jetzt wünschte er inständig, er hätte irgendwas von seinem Dad oder Jong, an dem er sich festhalten konnte. Doch er hatte beim Surfen keinen Schmuck getragen - aber der war ohnehin nur selbst gekauft. Einzig seine Piercings, aber die erinnerten ihn weder an Jong, noch an seinen Dad. Ab und an flossen ein paar Tränen aus seinen Augen und schließlich setzte er sich auf den Hintern, mit angewinkelten Beinen vor sich. Innerlich schwor er sich schon alles Mögliche: nie wieder zu lügen, nie wieder seinem Dad zu widersprechen, ihn stolz machen, für Jong alles sein was dieser wollte... Alles, wenn er nur hier raus käme.

"Ja... aber sie haben mich nicht bei ihnen vermutet. Ich hatte keine Verbindung zu der Triade. Ich habe... die Tattoos gesehen, wenn einer oder mehrere von ihnen hier waren. Sie haben nicht mit mir geredet, aber miteinander. Dafür.. kenn ich ein paar Befehle auf koreanisch.." Brian sah weiterhin zu dem Jungen und blinzelte ihn müde an.
"Du wirst hier sterben, so wie ich." Brian hatte keine Hoffnung auf Rettung mehr, er glaubte nicht mehr an irgendwas Gutes auf dieser Welt. Aber der Junge war so verzweifelt. "Vielleicht... hat dein Daddy bessere Kontakte als meiner." Er versuchte es, wirklich, aber der Junge würde hier vieles erdulden müssen. Doch Brian war sich sicher, dass er das nicht mehr erleben würde. "Ich wünsche dir, dass sie mich entsorgen... Der Gestank hier würde sonst nur unerträglich werden."

"Triade?" Lyn runzelte fragend die Stirn. Klar wusste er, was diese Mafiagruppierung war. Mehr oder weniger. Aber er hatte lange genug in Korea gelebt um davon Wind zu bekommen. Waren die Gerüchte wahr? Verschleppten sie Kinder und verkauften sie? Dann würde Keis Geschichte ja stimmen... Noch mehr Angst nistete sich in ihm ein und sein Atem ging wieder schneller. "Ich kann koreanisch sprechen und verstehen", gab er nebenbei bekannt, aber ob ihm das hier etwas nützte, war fraglich. Er hatte das Gefühl dauernd etwas zu hören. Schritte und komische Geräusche.
Seine Angst wurde ungleich angefacht, als Brian ihm wieder den Tod prophezeite und neue Tränen kullerten über seine Wangen. Er krallte sich fest in den Stoff seiner Jeans und versuchte nicht hysterisch zu werden. "S..sag sowas nicht.." Ihn entsorgen? Würde er auch irgendwann so denken? Die Tränen brachen nun doch unaufhaltsam aus ihm heraus und er barg seinen Kopf an den Knien. Zu sehen, wie er hier enden würde, wenn ihn keiner rettete... war grausamer als alles andere. Da hätte er sich lieber nur seiner Fantasie gestellt.

"Ja... die Triade. Aber du bist der Erste, den ich sehe." Er hatte keine anderen Gefangenen gesehen oder Lustobjekte, er war immer allein gewesen, bezogen auf andere Entführte, Gleichaltrige. Obwohl, es hatte einmal einen in seinem Alter gegeben, doch der warso viel schlimmer als die älteren Männer, die zu ihm gekommen waren. Abreagiert war das richtige Wort um zu beschreiben was der andere hier bei ihm gewollt hatte.
"Dann kannst du ja vielleicht hören, was für Pläne sie mit dir haben. Ich weiß nur nicht, ob das so gut ist." Eher nicht, da er glaubte, dass die Fantasie des Jungen was Folter und Vergewaltigung anging nicht gerade ausgeprägt war. Die Männer hier aber waren von der Sorte, die mit ihren Vorhaben prahlten.
"Aber wieso nicht? Ich bin doch fast schon tot. Das einzige was ich dir geben kann ist meine stinkende Decke... Nimm sie dir lieber, bevor ich.." Bevor er in ihr verweste hatte er sagen wollen, konnte es sich aber gerade noch verkneifen. Ob er nun noch stärker fror oder nicht, das war egal. "Ich habe nichts anderes, was dir helfen könnte. Aber.. sie.. wurde nie gewaschen." Als wenn es seine Schuld war, klang er jetzt so, als würde er sich dafür schämen - was auch so war.

"Weißt du.. Hast du eine Ahnung, warum sie das machen? Steckt da.. irgendwas dahinter? Oder tun sie es einfach nur.. weil sie es tun?" Lyn ertrug die Stille nicht, nicht in seiner Angst. Und er selbst wusste auch nicht, ob er wissen wollte, was die Männer vorhatten. Er bemerkte nicht einmal, dass er auf seiner Unterlippe kaute während seine Augen immer wieder hin und her huschten - und mehr als ein Spinnennetz im Licht der Lampe ausmachten. Ihm wurde schlecht.
Rasch schüttelte er dann auch schon den Kopf, als könnte er seine Gedanken und das üble Gefühl damit vertreiben. "Nein, behalte deine Decke... Ich will dir nicht das .. letzte Hemd vom Leib reißen, solange du lebst.." Alles hier nahm ihm die Luft zum Atmen.. die muffige Decke würde ihn vielleicht noch ersticken. Auch wenn es dem anderen peinlich war, ihm war es furchtbar unangenehm und doch konnten sie beide nichts für ihre Situation. "Hast du mal versucht zu fliehen?"

"Es bereitet ihnen Vergnügen." Jedenfalls hatte er sehr schnell diesen Eindruck gewonnen. "Ich habe das Wort Vater aufgeschnappt. Vielleicht bin ich nicht wegen meinem Aussehen hier. Vielleicht hat mein Vater sie verärgert. Er ist Japaner und ... in der Politik tätig, er war immer gegen Menschenhandel und Drogen und hat dagegen gekämpft." Sein Vater war nicht im ganzen Land bekannt, aber in New York und er wusste nicht, dass Dominic und er sich kannten. "Mein Dad war sehr enttäuscht von mir, weil ich Model wurde und nicht.. etwas Ehrenhaftes."
Brian seufzte leise und hielt sich am Saum der Decke fest. Doch er schloss die Augen und man konnte wegen der Decke nicht erkennen ob er noch atmete. Er behielt die Augen auch geschlossen, als er auf die Frage antwortete. "Ja, im ersten halben Jahr, wann immer man mich aufgesucht hat... Fast täglich habe ich es versucht, bis einer von ihnen mir den Knöchel gebrochen hat."

Als Brian von seinem Vater erzählte, war Lyn so blass wie die Wand. "Mein Dad ist Diplomat..." Schon war da ein neuer Verdacht und doch war nichts gewiss. Vielleicht war beides der Grund - vielleicht lagen sie auch völlig falsch. "Model ist doch genauso ein Job, wie jeder andere auch. Die Hauptsache ist doch, dass es einem Spaß macht und das Geld zum Leben reicht..." Jedenfalls war er dieser Ansicht und seufzte leise, im Gleichklang mit Kei.
"Oh.. und.. und wieso war es so schwer zu entkommen?" Je mehr er wusste, desto besser. Vielleicht gab es ja doch noch Rettung für ihn?

"Dann ist es nicht wegen deinem Dad. Er ist ja dafür da, dass er in anderen Ländern etwas für Amerikaner tut. Er hat ja nichts mit den Triaden zu tun." Brian versuchte zu lächeln, aber es misslang. Doch das machte nichts, durch die Decke war es nicht zu sehen. Dann lauschte er den weiteren Worten und in seine hellen Augen trat plötzlich der Ausdruck von Zuneigung. Das Modeln hatte ihm alles bedeutet, sogar mehr noch als sein damaliger Freund. Das wusste er noch, würde es jetzt aber anders machen. "Danke, ... Wie heißt du?"
Doch dann schüttelte es ihn kurz wegen der Frage. "Weil.. man sehr beschäftigt ist, wenn sie rein kommen. Ich .. ich konnte, als er fertig war.. mich unter ihm hervor winden und bin zur Tür gekommen, zur Tür hinaus und hatte dann den Schläger im Bauch oder Rücken. Es steht immer eine Wache vor der Tür, immer.." Seine Stimme zitterte und dann erstarb sie.

"Okay..." Lyn glaubte ihm einfach. Was sollte er auch sonst tun? Solang es nur irgendwie positiv war, wollte er daran glauben. Er war einfach durch Zufall in die Fänge geraten, erinnerte sich aber kaum noch. Nicht mal an die Gesichter seiner Entführer konnte er sich erinnern. "Lyn.." Auch er versuchte ein Lächeln, aber wurde zu einer halben Grimasse. Gleich darauf bekam er eine fürchterlich unangenehme Gänsehaut und musste gleich mehrfach schlucken. "Sie.. sie.. sie holen einen nicht hier raus?" Nackte Angst stand in seinen Augen, denn gerade weil Kei nicht alles erzählte, ging seine Fantasie mit ihm durch. Doch im Grunde hatte Kei recht: Er konnte es sich gar nicht richtig ausmalen. Er war immer noch Jungfrau und hatte vom 'schönsten Gefühl der Welt' nur Ahnung, weil er masturbiert hatte. Aber sonst? Unwillkürlich glitt sein Blick zur Tür. Er konnte jemandem die Waffe abnehmen, wenn alles gut lief. Sich auch entwinden. Doch er wünschte sich, sein Dad hätte ihm mehr Training aufgezwungen. Das könnte er jetzt bitte gebrauchen. "Das... muss ein schlechter Traum sein..."

"Lyn.. ist das eine Abkürzung?" Brian öffnete seine Augen wieder und in dem stumpfen blau-grau mischte sich Interesse hinein, was sie lebendiger aussehen ließ.
"Nein. Niemals... Manchmal habe sie mir eine Dusche gebaut. Irgendwo ist ein Anschluss dafür. Sonst gibt es einen Eimer Wasser und Seife, denn sie wollen keinen Dreck anfassen, wenn..." Brian musste kurz innehalten, er lag im Sterben, aber er konnte es nicht in Worte fassen. Dass es hier keine Toilette gab, nicht einmal einen Eimer dafür war offensichtlich. "Ich habe weder Tageslicht noch den Wind seit ich hier bin erlebt."
Brian wollte eigentlich kurz auflachen, doch das ging in einen Hustanfall über, der ihn völlig durchschüttelte und ihn sich verkrampfen ließ. "Es ist ein Alptraum, den du real erleben musst." kam es danach schwach von ihm und er sackte für einige Minuten in die Bewusstlosigkeit.

"Eigentlich heiße ich Thelvyn.. Aber das steht nur in meinen Ausweisen. Niemand nennt mich so." Und darüber war er auch froh. Ab und an sah er zu Kei, wollte ihn aber weder beobachten noch dauernd mustern.
Er verkrampfte sich, als er noch mehr zu hören bekam und sein Puls fing erneut an zu rasen. Auch er hatte das fehlende Zeug bereits bemerkt, war aber davon ausgegangen, dass man sie für so etwas raus holte - Zeit für Flucht eben. Mit bangem Blick sah er wieder zur Tür. Vielleicht sollte er sich direkt daneben setzen und die Flucht ergreifen, sobald sie nur auf ging? Er antwortete Kei nicht mehr. Er konnte es auch gar nicht. Alles in ihm war wie zugeschnürt. Er saß hier im düsteren, mit einem halbtoten, stinkenden Menschen in einem Raum und würde bald nicht viel anders aussehen, wenn man ihn nicht fand. Die Stille nach dem Hustenanfall war erdrückend und niederschmetternd und Lyn machte sich so klein wie er nur konnte. Was sollte er nur tun? Machen konnte er nichts. Nichts außer warten.

"Lyn klingt auch netter." bemerkte Brian und zerschmetterte etwas später wieder ein paar Hoffnungen des Jungen. Aber was sollte er machen? Es war besser, wenn dieser das alles vorher wusste, als täglich zu hoffen, dass man ihn doch einmal hinaus brachte. So wie er immer gehofft hatte. Wenig später war er für etwa zwanzig Minuten bewusstlos und als er wach wurde, glaubte er, dass er alles geträumt hatte. Deshalb schwieg er und behielt die Augen geschlossen, er war ja doch allein.

Li wurde, je länger er warten musste, immer unruhiger. Er war es nicht gewohnt, dass er still rum sitzen musste, wenn sie doch bei einem Einsatz waren. Der Kettenhund hatte alle Twinkies verputzt und schmiegte seinen Kopf immer wieder gegen Sukis Schulter, aber am liebsten gegen seinen zart duftenden Hals. Er liebte diesen zarten Eigengeruch seines Sukis und manchmal leckte er darüber, es sei denn es fiel ihm ein, dass er als Mensch niemanden leckte, sondern einen Kuss gab.
Er brummelte leise und sah immer sofort auf, wenn jeman den Raum betrat oder an ihnen vorbei ging. Er wollte endlich los, denn nach einem Einsatz gingen Suki und er immer ein Eis essen und in den Park - selbst im Winter oder wie jetzt Herbst würden sie das tun. Im Winter trug er Suki auch gern auf dem Rücken mit sich rum.
Wann konnten sie endlich los? Er spürte wie der Mann ohne Haare mit der Zeit immer angespannter wurde und seine ... irgendwas nahm ständig bei ihm zu. Aber es war keine Wut oder so, er wusste nicht, dass man das Gefühl Sorge nannte.
Er konnte beobachten wie Kim und Diego die Waffen sortierten, die sie mit gebracht hatten. Jeder von ihnen bekam die Waffen, die sie wollten. Li natürlich keine, er war uneffektiv, wenn er eine benutzen sollte.
Wieder rieb er seinen Kopf an Suki und grollte ihn leise an, er wollte los und als ob Suki ihm dabei helfen könnte, forderte er ihn mit dem Grollen eben dazu auf. Sein Suki konnte ihm immer helfen, das war sein fester Glaube.

Lyn gab selbst kaum einen Laut von sich. Er wusste nicht, ob Kei gerade gestorben war oder noch lebte. Er traute sich auch nicht, nachzusehen. Der Gedanke mit einer Leiche hier im Raum zu sein, war unerträglich. Erst als Kei wieder wach war und eine ganze Weile später noch, atmete er hörbar durch und setzte sich anders hin. Immerhin war er nach dem Essen noch im Lokal aufs Klo gegangen. Er würde also noch eine gute Weile ohne dieses Bedürfnis auskommen. Alles was er wollte, war nach Hause zu können. Zu seinem Daddy und zu Jong. Immer noch brachen Tränen aus ihm raus, nur ein paar, dann hatte er eine Weile Ruhe und später kamen wieder welche.

Suki war völlig entspannt, auch wenn die Gefühle um ihn herum immer wieder aufkochten und Li ungeduldig wurde. Er hielt einfach still, lehnte sich zurück und schloss seine Augen. Wenn der Einsatz los ging und sie mit dem Jungen zurück kamen, konnte er durchaus alle Kraft gebrauchen. Hin und wieder spielte er mit Lis Händen, schlang seine Arme dann einfach um sich und kuschelte eng mit ihm. Und wenn er ihm zu sehr auf den Keks ging, küsste er ihn einfach richtig. "Hab Geduld", flüsterte er leise nach dem Grollen und sah seinen Li mit einem kleinen Lächeln an.

Phoenix hingegen seufzte genervt. "Das gibts doch echt nicht..." Kopfschüttelnd sah er auf die Bildschirme und druckte wenig später etwas aus. Eine Liste mit sämtlichen Namen und Autokennzeichnen. Allesamt mit solchen Wagen, den sie suchten und hauptsächlich koreanisch. Eine drückte er Romeo in die Hand, mit der anderen ging er zu Dominic. "Kommen Ihnen davon Namen bekannt vor? Ich glaube die Rechner laufen morgen noch.. Es gibt einfach zu viel.."

Brian rührte sich nicht, versuchte einfach nur zu atmen und nicht einzuschlafen. Lyn war hier, er war real und deshalb beobachtete er ihn auch, hatte die Augen endlich geöffnet, nachdem er ihn nach einer Weile gehört hatte.

Li wurde zappelig, bis Suki ihn küsste. Noch immer war er deshalb öfter überrascht, doch jetzt grinste er ihn danach an, ohne seine Zähne zu zeigen. Er freute sich und drohte nicht. Wobei er Suki nie drohen würde. Dafür schnaufte er jetzt kurz, wurde aber ruhiger und legte sich auf die Seite, den Kopf auf Sukis Schoß und beobachtete unter dem Tisch hindurch die einzelnen Beine und Schuhe und konnte sie sofort jedem zuordnen.

Dominic runzelte die Stirn als er die Liste bekam und ging die Namen durch, erst im letzten Drittel der Seite hielt er inne und nickte. "Ja, der hier. Seung, mit ihm hatte ich vor Jahren zu tun, als es um die Einladung zum Anwesen von Jao-Min ging." Er konnte sich denken warum der Mann als Halter des Wagens auftauchte, man wollte, dass sie die Verbindung zu Jao-Min herstellten. Natürlich eine Falle.

Li spitzte sozusagen die Ohren, erhob sich geschmeidig und trabte dann zu seinem Bruder. Er war neugierig und sah auf die Liste. Inzwischen konnte er lesen, bei Namen hatte er jedoch große Schwierigkeiten. Aber seine Kinderbücher schaffte er fehlerlos und war stolz darauf. "Wann fahren wir?" fragte er jetzt rau und kratzend nach und schaute zu Romeo, denn das Blatt sagte ihm nichts und gab ihm keine Informationen.